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Über eine Blume

Sandra Gottwaldt

Jeden Tag stand er an der Bushaltestelle und wartete auf mich. Er hat immer eine kleine violette Blume in den Händen gehalten, deren Namen ich nicht kannte. Wenn ich aus dem Bus ausgestiegen bin, hat er mich freundlich gegrüßt und mir die Blume entgegengestreckt. Als würden wir uns kennen. Aber ich kannte ihn nicht. Am Anfang habe ich noch freundlich zurück gegrüßt und die Blume dankend abgelehnt. Ich kann mit Blumen einfach so gar nichts anfangen.

Mit der Zeit habe ich irgendwann gar nichts mehr gesagt und bin einfach nur an ihm vorbeigelaufen.

Das ging jetzt über ein Jahr so.

Na gut, ich muss zugeben, es gab Tage an denen wir auch mal ein kurzes Gespräch führten. Manchmal habe ich die Blume dann auch mitgenommen und er hat mich glücklich angelächelt. So glücklich, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam. Schließlich wollte ich ihm doch keine falschen Hoffnungen machen. Ich denke nämlich, dass er mich gut fand.

Ich fand ihn halt nur ok.

Eines Tages lag eine vertrocknete Blume auf dem Boden und von ihm fehlte jede Spur.

Seitdem halte ich jeden Tag nach ihm Ausschau. Hoffe, dass er vielleicht doch zurückgekommen ist und mit einer Blume in der Hand auf mich wartet.

Doch er tut es nicht.

Ich denke ich fand ihn auch gut. Nur jetzt ist es zu spät.


© Sandra Gottwaldt

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