Ich stehe in der hintersten Reihe an der Wand und warte darauf, dass du meinen Namen durch die Menge rufst. Ich sehe mich zu dir gehen. Vorbei an den anderen Menschen ohne Gesichter. Sie treten beiseite, machen mir den Weg frei, starren mich an. Würde mir womöglich ein Lichtkegel folgen? Gewiss würde ich es nicht registrieren, denn mein Blick wäre nur bei dir.
Ich warte immer noch, während mein Herz fest und schnell Freudensprünge vollführt. Es kann nicht mehr lange dauern, bis ich deine Stimme höre, die meinen Namen ruft.
Der Abend ist zu Ende und alles ist vorbei. Der Raum leert sich und irgendwann ist niemand mehr da. Niemand außer ich. Ich starre auf die leere Bühne und versuche zu verstehen. Jemand schaltet das Licht aus und ich stehe allein in der Dunkelheit. Warte darauf, dass meine Augen sich daran gewöhnen, doch sie tun es nicht. Alles bleibt finster und ich frage mich, wie ich so den Lichtschalter finden soll? Orientierungslos gehe ich auf die Suche, aber finde ihn nicht. ‚Es wird sicher jemand kommen und mich suchen‘, versuche ich mich zu beruhigen und lausche in die Stille. Voller Hoffnung warte ich darauf, dass jemand meinen Namen ruft.
Irgendwann werden meine Beine müde und ich setze mich auf den Boden. Mein Mund ist trocken. Meine Augen werden schwer, aber ich versuche nicht einzuschlafen. Du kommst bestimmt gleich. Ich muss nur warten, bis jemand meinen Namen ruft.
Es dauert einen ganzen Tag bis ich realisiere, dass niemand kommen wird, weil mich niemand vermisst. Nicht einmal… du?! Ich verstehe die Welt nicht mehr und schlafe ein.
Sandra? Endlich höre ich meinen Namen. Nur schwer bekomme ich die Augen auf. Ich sehe blaues Licht und höre grelle Laute. Sind das Sirenen? Dann schlafe ich wieder ein.
Sandra? Wieder höre ich meinen Namen. Alles ist weiß und ich sehe Gesichter die ich kenne. Höre Stimmen die mir vertraut sind und mich fragen: „Was hast du gemacht?“ „Warum bist du nicht nach Hause gegangen?“ „Was wolltest du dort?“ … Ich höre nicht weiter zu und schlafe lieber wieder ein.
Monate später kehre ich zurück. Ich gehe wieder in die hinterste Reihe und starre nach vorne auf die Bühne. Traurig stelle ich fest, dass ich dich vermisse. Ich blicke nach links. Direkt neben mir ist ein Lichtschalter. Ich hätte an dem Abend den Arm nicht einmal ganz ausstrecken müssen. Hätte mit einem Klick aus der Dunkelheit gefunden. Aber ich habe den Lichtschalter an diesem Abend nicht gesehen, weil ich nur Augen für dich hatte. Meine Augen füllen sich mit Tränen der Bitterkeit.
Jetzt drücke ich auf den Schalter und sehe endlich wieder klar.
© Sandra Gottwaldt
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